Prävention: Feinzeichen erkennen – FASD lesen lernen

Verhalten wie Wut/Aggression, Rückzug oder Dominanz hat beispielsweise häufig mit Überforderung, Orientierungslosigkeit, Traurigkeit, Ermüdung, mangelnde Eigenwahrnehmung zu tun.

Die Ursachen für dieses Verhalten zu erkennen, ermöglicht Bezugspersonen jedoch erst Prävention und Selbstwirksamkeit. Damit FASD nicht einfach „passiert“.

Wie können wiederholende Situationen verbessert oder vermieden werden, wo sind die „Kipp-Punkte“, was braucht der Mensch mit FASD an Unterstützung und Orientierung, um seine Potentiale ausschöpfen zu können, welchen Ausstieg gibt es, wie können Eskalationen vermieden werden …

Junge Menschen mit FASD berichten häufig, dass kritischen Situationen stets eine Phase vorausgeht, die von sensiblen Bezugspersonen anhand individueller Signale erkannt werden könnte. Das Kölner FASD-Fachzentrum bezeichnet diese frühen Signale als „Feinzeichen“ und sieht hierin einen Schlüssel, um früh und sensibel intervenieren zu können und dadurch belastende Erfahrungen für den jungen Menschen mit FASD zu verringern. Denn das Wissen um und das Erkennen dieser Signale bzw. Feinzeichen ist hilfreich, um Menschen mit FASD in ihrer Entwicklung feinfühlig zu unterstützen bzw. deren Befindlichkeit besser verstehen zu können.

Bald wird es hier Ideen dazu geben, wie Bezugspersonen diese Feinzeichen als kleine Signale im Umgang mit Menschen mit FASD nutzen können. Um FASD noch besser „lesen“ zu können und z.B. Überforderungssituationen, die zu typischem FASD Verhalten führen, frühzeitig zu erkennen und im Alltag zu minimieren. (Veröffentlichung folgt)

Was sind „Feinzeichen“?

Im ursprünglichen Sinn sind Feinzeichen angeborene Verhaltensweisen, mit denen der Säugling intuitiv eine Reaktion bei seiner Bezugsperson auslöst. Der Säugling drückt damit sein Befinden und seine Bedürfnisse aus. Säuglinge können nur überleben und sich entwickeln, wenn sie ein liebevolles Gegenüber haben, das sich kümmert und eine Beziehung eingeht. Da Säuglinge sich nur mit ihrer Körpersprache, Mimik und ihrer Stimme mitteilen können, sind sie darauf angewiesen, dass erfahrene Betreuungspersonen und sensible Eltern diese typischen Feinzeichen erkennen und die Bedürfnisse des Säuglings frühzeitig befriedigen, bevor er in eine bedrohliche Situation gerät.

Menschen mit FASD können sich emotional meist nicht proportional zu Ihrem biologischen Alter entwickeln. Aufgrund ihrer Hirnschädigung und damit einhergehender Wahrnehmungsproblematiken haben sie einen hohen Bedarf an Betreuung und Fürsorge auch mit voranschreitendem Alter. Daher ist es für den pädagogischen Umgang unterstützend und sinnvoll, ihren gesendeten Feinzeichen weiterhin große Beachtung zu schenken.

Die Folgen der Hirnschädigung machen Menschen mit FASD in vielen Momenten im Alltag Probleme:

  • der Wunsch nach sofortiger Bedürfnisbefriedigung bleibt häufig bestehen,
  • ebenso ein erhöhter Bedarf an Aufmerksamkeit und Fürsorge und die Notwendigkeit von engmaschiger Betreuung.
  • ihre Impuls- und Emotionsregulation ist eingeschränkt mit mangelndem Realitäts- und Plausibilitätsabgleich,
  • sowie eingeschränkte oder überlastete Wahrnehmungskanäle als weitere Einschränkungen im Alltag.

Dementsprechend ist es unterstützend und sinnvoll, wenn von außen weiterhin, wie beim Säugling, eine Bezugspersonen die gesendeten Feinzeichen erkennt und liest.

Direktes Handeln

Bei aller Vorbereitung kann es dennoch zu akuten Situationen kommen, in denen direktes Handeln notwendig wird. Sich dazu im Vorfeld Handlungsmöglichkeiten zu überlegen, ermöglicht eine rasche Reaktion, um die Situation zu entschärfen. Von Festhalten/ Umarmen über räumlichen Abstand schaffen oder die Bühne entziehen – es gibt viele Möglichkeiten, die jedoch zum Kind und zur Bezugsperson passen sollten.

Partizipation

Hat sich die Situation wieder beruhigt und der junge Mensch mit FASD ist ansprechbar, sollte gemeinsam über das Geschehene gesprochen, angemessenere Handlungsoptionen entwickelt und der entstandene Schaden behoben werden – jeweils mit aktiver Beteiligung des Kindes/Jugendlichen mit FASD im Rahmen seiner Möglichkeiten.
Wie waren die Handlungsabläufe? Dabei können Handlungen verurteilt werden, jedoch niemals der Ausführende.
Was sind angemessenere Handlungsoptionen, wie könnte sich das Kind/Jugendliche besser verhalten, und was braucht es dafür?
Was kann konkret getan werden, um die Situation zu bereinigen und entstandenen Schaden zu beheben? Wie kann sich der junge Mensch mit FASD einbringen?

Zum Weiterlesen

Mit dem Fachbuch Ein (Pflege-)kind mit FASD – und glücklich! haben Susanne Falke und Sabine Stein einen Wegweiser entwickelt für diejenigen, die mit Menschen mit FASD zusammenleben und arbeiten. Mit diesem positiven, pädagogisch-therapeutischen Handlungskonzept möchten die Autorinnen Pflege- und Adoptivfamilien, Fachleuten und Interessierten Gründe für das besondere Verhalten von Menschen mit FASD näherbringen und alltagserprobte Lösungsvorschläge aufzeigen. Beide Autorinnen sind erfahrene FASD-Beraterinnen und Leiterinnen der FASD-Arbeitskreise des Fachzentrums für Pflegekinder mit FASD Köln.

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